FAQ ARBEITSRECHT CORONAVIRUS / COVID-19

Die Ausbreitung des Coronavirus stellt nicht nur die Medizin, sondern auch Wirtschaft und Arbeitsmarkt vor große Herausforderungen. Wir möchten Ihnen nachfolgend eine erste Orientierung hinsichtlich der brennendsten Fragen aus der Beratungspraxis der letzten Tage geben. Die nachstehenden Fragen bilden natürlich nur einen kleinen Teil der aktuellen Situation ab. Selbstverständlich stehen wir Ihnen kurzfristig für die Beantwortung aller arbeitsrechtlichen Fragestellungen zur Verfügung. Teil der bei GRUB gebildeten Arbeitsgruppe sind auch Spezialisten aus dem Gesellschafts- und Insolvenzrecht, so dass wir auch in der aktuellen Krise eine umfassende und kompetente Beratung sicherstellen können.

  1. Muss der Arbeitgeber die Vergütung im Falle einer Betriebsschließung fortzahlen?
    Schließt der Arbeitgeber aufgrund eigener unternehmerischer Entscheidung, beispielsweise zum Schutz seiner Arbeitnehmer, den Betrieb, haben die Arbeitnehmer Annahmeverzugslohnansprüche gemäß § 615 S. 1 BGB.
    Im Falle einer Betriebsschließung aufgrund behördlicher Anordnung muss der Arbeitgeber die Vergütung grundsätzlich ebenfalls weiterzahlen. Nach § 615 S. 3 BGB trägt der Arbeitgeber das Betriebsrisiko. Es kommt gerade nicht darauf an, ob der Arbeitgeber die Betriebsschließung verschuldet hat.
    Ein Ausschluss der Regelungen zum Betriebsrisiko käme allenfalls bei einer Existenzgefährdung des Unternehmens in Betracht. Nachdem das Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit noch keinen Fall der Existenzgefährdung anerkannt hat, empfehlen wir dringend, durch Anordnung von Kurzarbeit Annahmeverzugsrisiken zu minimieren.
  2. Voraussetzungen für die Anordnung von Kurzarbeit und Beantragung Kurzarbeitergeld?
    Die Bundesagentur für Arbeit hat bereits Ende Februar bestätigt, dass wegen der Ausbreitung des Coronavirus bei Entgeltausfällen durch die Anordnung von Kurzarbeit Kurzarbeitergeld beantragt werden kann.
    Voraussetzung für die Anordnung von Kurzarbeit und entsprechend nachzuweisen gegenüber der Agentur für Arbeit im Antragsverfahren, ist eine entsprechende Anordnungsbefugnis durch Arbeitsvertrag oder einvernehmliche Regelung mit den Arbeitnehmern. In Unternehmen mit Betriebsrat muss, aufgrund des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates, eine entsprechende Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden.
    Die Bundesregierung hat mit dem Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld gelockert. Ab dem 01.04.2020 können Betriebe Kurzarbeitergeld bereits beantragen, wenn nur 10 % der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind. Bislang war die Grenze bei einem Drittel. Zudem werden auf Grundlage der neuen Regelung die Sozialversicherungsbeiträge zu 100 % erstattet.
    Weiterhin erforderlich, um eine Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls nachzuweisen, ist allerdings die Anordnung von Resturlaub aus dem Vorjahr und der Abbau von Überstunden bis zu den gesetzlichen Schutzgrenzen des § 96 SGB III.
  3. Kann der Arbeitgeber einseitig Urlaub und Überstundenabbau anordnen?
    Eine Anordnung von Betriebsferien ist bei Vorliegen dringender betrieblicher Gründe in der Rechtsprechung anerkannt. Somit dürfte auch die Anordnung des Resturlaubs aus dem Vorjahr zur Vorbereitung des Bezugs von Kurzarbeitergeld zulässig sein. Überstundenabbau kann durch den Arbeitgeber ohnehin im Rahmen seines arbeitgeberseitigen Direktionsrechts angeordnet werden. In Betrieben mit Betriebsrat muss im Einzelfall geprüft werden, ob Mitbestimmungsrechte nach dem BetrVG oder auf Grundlage einer entsprechenden Betriebsvereinbarung bestehen.
  4. Macht es Sinn, auf den Antrag auf Kurzarbeitergeld zu verzichten und ausschließlich auf Ansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz zu setzen?
    Hiervon raten wir dringend ab. Solche Ansprüche sollten lediglich ergänzend geltend gemacht werden. § 56 Infektionsschutzgesetz eröffnet zunächst für den einzelnen Arbeitnehmer einen vom Arbeitgeber zunächst zu erfüllenden Ersatzanspruch auf Entgeltfortzahlung von sechs Wochen, sofern der Arbeitnehmer konkret Adressat einer Maßnahme nach dem Infektionsschutzgesetz ist.
    Fälle einer behördlichen Betriebsschließung lösen nicht automatisch einen Anspruch nach dem Infektionsschutzgesetz aus. Versäumt es der Arbeitgeber, den Antrag auf Kurzarbeitergeld zu stellen, verbleibt es im Hinblick auf die Grundsätze zum Betriebsrisiko bei der vollständigen Vergütungsfortzahlung.
  5. Wann besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung?
    Grundsätzlich nur dann, wenn eine Erkrankung des Arbeitnehmers vorliegt. Bleibt der Arbeitnehmer freiwillig zu Hause oder unterliegt Quarantänemaßnahmen, besteht kein Anspruch nach § 3 EFZG. Im Hinblick auf einen möglichen Anspruch nach dem Infektionsschutzgesetz ist zu beachten, dass bei der Möglichkeit des Arbeitnehmers, im Home Office zu arbeiten, selbst bei Anordnung von Quarantäne kein Anspruch bestehen dürfte.
  6. Muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bezahlten Sonderurlaub für die Betreuung der Kinder gewähren?
    Ein entsprechender Anspruch auf bezahlte Freistellung für einen vorübergehenden (in der Regel kurzen) Zeitraum kann sich grundsätzlich aus § 616 BGB ergeben. In vielen Arbeitsverträgen ist diese Regelung allerdings ausgeschlossen. Der Arbeitnehmer geht dann leer aus. Nur im Falle der Erkrankung des Kindes kann ein Anspruch auf Krankengeld gegenüber der Krankenversicherung bestehen.
    Eine Kündigung muss der Arbeitnehmer beim tatsächlichen Erfordernis der Kinderbetreuung nicht fürchten, da dann eine Erbringung der Arbeitsleistung aufgrund besonderer Umstände unzumutbar ist.
  7. Kann der Arbeitgeber aufgrund der aktuellen Situation betriebsbedingte Kündigungen aussprechen?
    Lassen sich die wirtschaftlichen Folgen durch mildere Mittel, beispielsweise die Anordnung von Kurzarbeit, nicht ausgleichen, kommt grundsätzlich eine betriebsbedingte Kündigung in Betracht. Es muss aber im Einzelfall insbesondere geprüft werden, ob aufgrund der aktuellen Situation tatsächlich ein dauerhafter Wegfall des Arbeitsplatzes begründet ist oder beispielsweise durch eine Flexibilisierung der Arbeitszeit betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden können.
  8. Benötigen meine Arbeitnehmer eine Arbeitsplatzbescheinigung?
    Ob im Einzelfall eine entsprechende Bescheinigung für die Vorlage gegenüber den Polizei- und Ordnungsbehörden im Falle einer Ausgangssperre benötigt wird, richtet sich nach den Anforderungen der jeweiligen Landesverordnung. Wir empfehlen vorsorglich, unabhängig von einer entsprechenden Anordnung, den Arbeitnehmern entsprechende Bescheinigungen auszustellen. So sind Sie im Falle kurzfristiger behördlicher Anordnungen bestmöglich gewappnet.

CHRISTOPHER BOLD
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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